Hirschjagd in Ungarn
Ich wollte mich endlich selbst von der Jagdkultur in diesem Land überzeugen, da man oft eher negative Meinungen über das Jagen in Ungarn hört. „ In Ungarn steht Hirsch an Hirsch aneinander. Du musst dir nur einen aussuchen. Spätestens nach 2 Tagen bist du wieder zu Hause.“, so die Meinung eines heimischen Jägers.
Nach mehrmaligen, wirklich informativen und interessanten Gesprächen mit Herrn Brockmann von Globus Jagdreisen bezüglich den üblichen Fragen („ Wann beginnen die Hirsche in Ungarn üblicherweise zu melden? Welches Jagdgebiet würde sich für die Brunftjagd Anfang September anbieten? ...“), ging es schließlich am 5. September dieses Jahres los. Ich wollte auf einen Hirsch mit ca. 6 Kilo Geweihgewicht in der ungarischen Jagdgenossenschaft Zalaegerszeg waidwerken.
Nach stressfreier Fahrt durch Österreich und einen kleinen Teil Südungarns, kam ich schließlich gegen 15 Uhr in meinem Quartier an. Von der Herbergsfamilie, die recht gut Deutsch sprach, wurde ich sehr herzlich aufgenommen und bekam sogleich eine kräftige, leibliche Stärkung. Das Quartier, das die Familie als Ferienhaus nutzt, war lieblich und äußerst komfortabel eingerichtet. Es verfügte über mehrere Schlafräume, Küche, Wohnzimmer und Bad, so dass man sich wie zu Hause fühlen konnte.
Gegen 17 Uhr traf dann der ungarische Dolmetscher, selbstverständlich auch leidenschaftlicher Jäger, im Quartier ein. Nach kurzem „small talk“ über die Jagd und speziell die Jagd in Ungarn, wurden mit dem anwesenden Jagdleiter der Genossenschaft die Formalitäten geklärt, so dass um 18 Uhr die Jagd für mich endlich beginnen konnte.
Voller Vorfreude fuhr ich anschließend mit meinem Jagdführer durch ein größeres Waldgebiet. Die nahezu reinen Laubwaldbestände, bestehend aus Eiche und Buche, waren für mich auch neu, da in meiner Heimat doch noch die Nadelbäume das Waldbild bestimmen. Mein Jagdführer und ich pirschten zu einer offenen Kanzel, die am Rande einer ca. 5 ha großen Laubwaldverjüngung stand. Es war ein landschaftlich wirklich schönes Plätzchen. Leider kam an diesem ersten Pirschgang nur Rehwild, darunter jedoch ein starker Bock, in Anblick. Die Hirsche meldeten in einiger Entfernung sehr zaghaft.
Von den folgenden Pirschgängen kann in Kürze berichtet werden, da sich jagdlich nicht viel ergeben hatte. Die Hirsche meldeten nur sporadisch, obwohl das Wetter gar nicht so schlecht war. Die Nächte waren klar und kühl, eigentlich gute Voraussetzungen für die Hirschbrunft. Aber selbst die ungarischen Jagdführer konnten sich nicht erklären, warum nur wenig Rotwild in Anblick kam. Nach dem sechsten Pirschgang hatte ich keinen jagdbaren Hirsch vor die Büchse bekommen. Lediglich mit einem ungarischen Hirsch vom zweiten Kopf machte ich Bekanntschaft.
So stellte sich dann doch ein bisschen jagdliche Ernüchterung ein. Aber nicht nur bei mir. Auch die Ungarn waren ratlos und wurden langsam nervös. Man merkte ihnen an, dass sie mich unbedingt zu Schuss bringen wollte. Dies ging sogar soweit, dass zwei Jagdführer mit mir ausrückten. Der Eine hätte den Anderen bei Anblick über Handy verständigt, so dass man ggf. schnell den gewählten Ansitzort wechseln hätte können. Selbst der Vertreter von Globus Jagdreisen vor Ort hatte sich schon auf die Suche nach einem anderen Revier gemacht. Kurzum: Es wurden alle Hebel und Bemühungen in Bewegung gesetzt, um mir ein Waidmannsheil zu ermöglichen. Schon mal ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle!
Aber dann kam der siebte Pirschgang…
Mein Jagdführer und ich hatten uns an diesem Abend in einem älteren Laubwaldbestand einen Bodenstand eingerichtet. In der Früh sind uns in diesem Bereich einige starke Trittsiegel aufgefallen. Es war ein schöner, lauer Spätsommerabend, die letzten Sonnenstrahlen kämpften sich durch das Blätterdach.
Ich träumte ein wenig vor mich hin, als mein Jagdführer plötzlich „Hirsch“ flüsterte und in eine Richtung deutete. Ich blickte sofort in diese Richtung, und tatsächlich: Ein Hirsch wechselte aus unserem Rücken auf eine alte Forststraße, ca. 60 m von uns entfernt. Jedoch blieb nicht viel Zeit zum Ansprechen, da der Hirsch ziemlich flott von uns davon zog. Außerdem war die Sicht immer wieder durch starke Buchen behindert. Mein Jagdführer griff schließlich rasch zu seinem Hirschruf und konnte den Hirsch zumindest vorerst in seinen Bewegungen stoppen. Der Hirsch drehte sich und sicherte nahezu eine Minute lang in unsere Richtung. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen! Durch einen weiteren Ruf meines Jagdführers setzte sich der Hirsch wieder in Bewegung, und: diesmal in unsere Richtung! Er suchte schön langsam, immer wieder aufwerfend, zu unserem Bodenstand. Dies gab uns die Möglichkeit, den Hirsch ein bisschen genauer anzusprechen. Meiner Meinung nach, so war es jedenfalls mein Eindruck, könnte der Hirsch in die „Kategorie“ 6 Kilogramm passen, aber ich war mir wirklich nicht sicher. So zog der Hirsch immer näher und näher…
Als der Hirsch bzw. das Haupt des Hirsches auf ca. 30 Meter kurz hinter einer starken Buche verschwand, warf ich einen Blick zu meinem Jagdführer. Auch er schätzte den Hirsch auf ca. 6-7 Kilogramm und gab mir zu verstehen, ob ich schießen möchte. Für mich war die Sache klar. Diese Chance lasse ich mir nicht entgehen! Ich brachte meine Büchse (Kaliber .308) vorsichtig in Anschlag und wartete sitzend freihändig, bis der Hirsch hinter der starken Buche hervortrat. Der Hirsch machte eine kurze Bewegung und stand breit auf ca. 30 Meter vor uns. Das Blatt war frei, so dass das Fadenkreuz sofort das Ziel fand. Auf den Schuss zeichnete der Hirsch so, dass ich meiner Sache sicher war. Er ging tief weg, war mit den Vorderläufen schon auf dem Boden, rappelte sich wieder auf und entzog sich mit schonendem Vorderlauf unserem Blick.
Nachdem mein Pirschführer und ich das so eben Erlebte realisiert hatten, löste sich die Anspannung. Ich war mir sicher, dass der Hirsch nicht weit kommen konnte. Nach der üblichen Zigarettenlänge gingen wir die Fluchtrichtung des Hirsches aus. Jedoch fanden wir auch nach guten 150 Metern keinen Hirsch. Wir wollten uns schon wieder auf den Rückweg zum Anschuss machen, als mir mein Jagdführer zu verstehen gab, dass er den Hirsch liegen sehe. Und tatsächlich: Auf ca. 100 Meter lag „mein“ Hirsch verendet am Fuße eines tiefen Grabens. Die Freude war riesengroß! Aber, wir mussten uns erst einmal zu dem Hirsch durch Brombeeren und Gestrüpp vorkämpfen. Der Hirsch, so stellte sich heraus, ging trotz gutem Blattschuss immerhin noch ca. 250 Meter und durchquerte einen mehr als 20 Meter tiefen Graben. Obwohl ich mit meiner .308 nur gute Erfahrungen gemacht habe, ist sie für den Brunfthirsch anscheinend doch ein bisschen zu schwach.
Kurze Zeit später standen wir vor dem verendeten Hirsch. Nach herzlicher Umarmung und Bruchübergabe nahmen wir das Geweih des Hirsches in Anschein. Mein erster Eindruck war, „ na ja, der könnte dann doch ein bisschen mehr als 6 Kilogramm Geweihgewicht haben…“. Aber, das war nun erstmal nebensächlich. Das schöne und vor allem hochgradig spannende Jagderlebnis überwog.
So kam es, dass ich nun, entgegen aller Erwartungen, doch noch am siebten Pirschgang zu Schuss kam. Die offizielle Bewertung des Hirsches ergab nach einigen Tagen, dass der Hirsch ein Geweihgewicht von 8,6 Kilogramm hat und somit „ein wenig“ schwerer als erhofft wurde. Somit muss man sich die nächsten Monate finanziell ein bisschen organisieren…Allerdings überwiegen für mich andere Dinge, so zum Beispiel die Erinnerung an die spannenden und erlebnisreichen Jagdtage, an die abwechslungsreiche Landschaft und an die netten Gespräche mit den einheimischen Quartiereltern und Jägern. An diese Eindrücke und Erlebnisse im September 2009 in Südungarn werde ich mich lange erinnern.
Abschließend soll die einleitende Meinung über die Jagd in Ungarn berichtigt werden. Es ist eine wirklich reelle, spannende, professionelle und ereignisreiche Jagd, die man einfach erleben muss.
Recht herzlichen Dank gilt außerdem Herrn Niko Brockmann für die professionelle Beratung und die netten Telefongespräche, bei denen man sich immer wieder gerne jagdlich austauschen kann.
Waidmannsheil im September 2009,