Sikajagd in Schottland
Dienstagmorgen ging es los. Ilja und ich freuten uns schon Monate auf diese Tour, und darauf, auf Sika jagen zu dürfen. Ich habe immer jagdliche Ziele und nachdem ich nun alle Hochwildarten, die in Deutschland vorkommen (Steinbock, Muffel und Gamswild sowie Rot- und Damhirsch), jagen durfte, fehlte mir nur noch der Sikahirsch.
Ohne Probleme erreichten wir nach einer Stunde im Auto den Flughafen in Hannover, von dem aus wir über Frankfurt nach Edinburgh fliegen sollten. Ein Direktflug mit einer Billigfluglinie kam für uns nicht in Frage, da wir die Trophäen gleich am Ende der Reise mit zurücknehmen wollten und wir hohe Zuschläge fürchteten.
Wir fanden uns also am Lufthansa Terminal ein und gaben rasch unser Gepäck auf. Bordkarten hatten wir schon am Vorabend online erstellt und so ging alles schnell und unkompliziert über die Bühne.
Wir warteten vor dem Gate auf unseren Flieger, als plötzlich eine freundliche Stimme durch die Lautsprecheranlage des Flughafens meinen Namen ausrief. Ich sollte mich also am Ausgang 4 melden… Sofort gingen mir 1000 Gedanken durch den Kopf die ich alle schnell verwarf, weil ich mir an sich nichts Böses vorzuwerfen hatte. Am Ausgang angekommen wartete schon ein Beamter des Bundesgrenzschutzes auf mich. Der nette Grenzschützer hatte beim Durchleuchten meines Gepäcks eine Schrotpatrone in einer meiner Jagdjacken im Koffer entdeckt. Da mein Jagdschein auch in dem Koffer lag, war das an sich kein Problem, aber ich hätte die Patrone anmelden müssen. Nachdem meine Personalien aufgenommen waren , bekam ich als Auflage die Patrone direkt nach der Landung am Sonntagabend beim Bundesgrenzschutz in Hannover wieder abzuholen, denn diese wurde konfisziert. Das ging ja gut los…
Der Rest des Hinflugs ging dann ohne weitere Komplikationen von statten und wir landeten nach kurzem Zwischenaufenthalt in Frankfurt planmäßig in Edinburgh. Der reservierte Mietwagen stand bereit und nach den ersten beiden Kreisverkehren im Linksverkehr fiel langsam die Anspannung ab und Vorfreude kam auf. Wir fuhren mit dem Navi immer nach Süden durch eine sehr schöne hügelige Landschaft. So hatte ich mir die schottischen Lowlands vorgestellt. Helen, die Frau von Leon, unserem Stalker, begrüßte uns freundlich und stellte unser eingerostetes Schulenglisch sofort stark auf die Probe. Schotten haben einfach einen schwer zu verstehenden Akzent. Sie gab sich große Mühe und wenn sie langsam sprach, war die Verständigung kein Problem. Leon hingegen ist aus dem Süden Englands und sein Englisch somit absolut identisch mit unserem aus fernen Schulzeiten. Nun bezogen wir erstmal unsere Zimmer. Die beiden Zimmer waren mit im Wohnhaus des Guides und nett und ordentlich eingerichtet.
Es war mittlerweile Abend geworden und nach den unproblematischen Probeschüssen mit 2 unterschiedlichen Waffen (6,5x55 und 270 Winchester) auf einer Kuhweide bekamen wir von Helen ein köstliches Abendessen gereicht. Helen ist eine super Köchin, die uns sogar auf Wunsch Haggis (Schottisches Nationalgericht, ähnlich deutscher Grützwurst) kochte und sich sehr viel Mühe gab.
Am nächsten Morgen ging es dann endlich los mit der Jagd!
Leon wurde, da wir 2 Jäger waren, von seinem Freund Scott, einem sympathischen Mittdreißiger, unterstützt, sodass wir 1:1 jagen konnten.
Ich wurde Scott zugelost und so fuhren wir zusammen in den südlichen Revierteil und überließen Ilja und Leon die nördliche Hälfte des Reviers. Da es noch recht dunkel war, pirschten wir erst einmal einige hundert Meter zu einem offenen Hochsitz und warteten auf die Morgendämmerung. Als es Scott hell genug war, pirschten wir los. Es ging bergauf bis zur Waldkante, über der sich eine traumhaft schöne Heidelandschaft vor uns auftat. Wir pirschten weiter hinauf bis zu einer verfallenen Steinmauer, die wir als Deckung nutzten. Beim Aufstieg strichen plötzlich lautstark 6 Grouse vor uns ab. Ein beeindruckender Anblick für mich. Nach wenigen hundert Metern kamen wir über eine Kuppe und liefen direkt auf ein Stück Kahlwild zu. Scott blieb ruckartig stehen und flüsterte: “There´s a hind“. Ich richtete mich auf und sah das erste Stück Sikawild in meinem Leben. Es war ein hind, welches von der Decke her wie ein Stück Damwild gefärbt war. Die helle Decke mit den weißen Punkten leuchtete in der Sonne. Ich wollte gerade den Fotoapparat aus der Tasche holen als ich plötzlich einen Windzug im Nacken spürte und sah, wie das Stück sofort lauthals warnend absprang. Scott erklärte mir, dass das Sikawild bei der geringsten Störung pfeifende Warnrufe von sich gibt. Alle anderen Stücke im großen Umfeld suchen auf diese Warnrufe sofort das Weite. So war es dann auch. Wir pirschten weiter durch die Heide ohne weiteres Wild zu sehen. Es waren jede Menge frische Fährten und Losung zu finden, aber die Heide war sikafrei. Es ging also im Wald weiter. Wir pirschten gerade auf einem Weg, der zwei leicht ausgewachsene Dickungen voneinander trennte, als plötzlich direkt neben uns ein schriller Pfiff zu hören war. Scott warf sich sofort zu Boden und ich tat es ihm gleich. Er flüsterte: „Are you ready?“ und ich machte mich bereit ohne wirklich zu wissen, was da gerade vor sich ging. Plötzlich sahen wir den ersten Hirsch an der Kante der Dickung stehen. Mit wenigen Fluchten war er aber auch schon in der nächsten Dickung verschwunden, aber es folgten noch 4 weitere Hirsche. Einer der Hirsche verhoffte auf dem schmalen Pirschweg 40m vor uns und Scott forderte mich zum Schuss auf. Der Hirsch stand mit dem Haupt hinter einem Baum und ein Ansprechen war völlig unmöglich. Es war wie verteufelt. Der Hirsch scheibenbreit nur 40m vor uns und ruhig in meinem Absehen, aber zum Unverständnis von Scott blieb die Kugel im Lauf. Als der Hirsch nach einer gefühlten Ewigkeit absprang, sprach Scott ihn als schwachen Sixpointer, also 6er an. Ich war zufrieden mit dem Anblick und noch viel zufriedener damit, dass die Kugel im Lauf geblieben war. Scott war verwundert, dass ich die Chance nicht genutzt habe, aber ich konnte es ihm dann doch vermitteln, dass ich nur einen Hirsch schießen wollte und ja noch die ganze Woche vor uns lag. Ich bin weiß Gott kein Trophäenjäger, aber wenn ich für einen Hirsch bis nach Schottland fahre, schieße ich nicht am ersten Morgen auf ein Stück, was ich nicht ansprechen kann. Weiteres Wild kam an diesem Morgen nicht mehr in Anblick. Jetzt stand erst einmal ein super schottisches Frühstück auf dem Plan. Genau das Richtige nach einer 4 stündigen Morgenpirsch.
Die nächsten 3 Ansitze liefen für uns etwas erfolgloser ab. Es kam zwar Wild in Anblick, aber der einzige jagdbare Hirsch stand auf gut 300m über uns im Hang und war für mich außer Reichweite. Bei einem anderen sehr starken Hirsch, der auf 100m im Bestand genau hinter Ästen stand, klappte es nicht, weil er genauso heimlich verschwand wie er gekommen war. Allgemein kann man das Sikawild von den Sinnen am ehesten mit dem Rotwild vergleichen. Sie äugen und hören hervorragend und da sie beim Abspringen durch ihre Laute warnen, ist die Pirsch sehr anspruchsvoll. Es war also mittlerweile Freitag geworden und wir brachen auf, weil wir als Kombination Wildziegen jagen wollten. Da die Jagd auf die Wildziegen recht schnell von statten ging- mittags um 11 hatten wir beide nach kurzer Pirsch unsere Böcke strecken können, beschlossen wir abends den nächsten Ansitz. Die Zeit drängte mittlerweile. Es standen uns nur noch 3 Ansitze zur Verfügung und wir hatten beide noch keinen Hirsch erlegen können.
Bei dem Abendansitz beschoss Ilja bei schwindendem Büchsenlicht einen Eightpointer, der am nächsten Morgen nach kurzer Todesflucht mit gutem Schuss in der angrenzenden Dickung gefunden wurde.
Es wurde also Samstag- der letzte Tag.
Leon beschloss, dass wir pirschen wollten. Es ging durch eine atemberaubende Heidelandschaft. Obwohl wir durch die offenen Flächen pirschten, kamen wir jede Deckung nutzend gut voran. Als wir oben auf dem Berg ankamen, sahen wir auf 1500m den ersten Hirsch. Leon fand ihn vom Körper her sehr stark und beschloss, ihn mit mir anzugehen. Auf der Rückseite des Berges gingen wir die ersten 800m bis wir nicht mehr weiter kamen, weil ein anderes Brunftrudel mit 3 hinds und einem etwas geringeren Hirsch uns den Weg versperrte. Wir beschlossen also runter wieder ca. 100 Höhenmeter abzusteigen, um dem Hirsch durch den Wald näher zu kommen. Es ging 300m durch den Wald bis wir zu einem Forstweg kamen. Wir wollten gerade den Weg betreten, als Leon ruckartig stehen blieb. Ich ging instinktiv sofort in die Hocke. Leon deutete nach links den Weg entlang und dann entdeckte ich ihn auch. 100m vor uns stand ein interessanter 8er an der gleichen Waldkante wie wir und äugte in unsere Richtung. Jetzt musste es schnell gehen. Leon reichte mir sein Zweibein und ich machte mich fertig. Der Hirsch sicherte noch immer spitz zu uns und konnte uns nicht richtig einordnen. Als er sich umdrehte, um wieder im Wald zu verschwinden, zeigte er mir den Bruchteil einer Sekunde sein Blatt und ich ließ die 6,5 fliegen. Wie vom Blitz getroffen sackte der Hirsch zusammen. Nach der obligatorischen Zigarettenlänge gingen wir zu ihm. Ich freute mich riesig über meinen ersten Sika, einen 5-6 jährigen Eightpointer.
Wir versorgten den Hirsch und fuhren glücklich zum Hof, wo Ilja und sein Führer auf uns warteten. Ilja hatte an diesem Morgen noch einen tollen 6er geschossen und so lagen am letzten Tag 3 Hirsche auf der Strecke (der dritte war der 8er vom Vorabend, der erst am Morgen gefunden wurde).
Abends ging es dann zum letzten Ansitz. Ich war wieder mit Leon unterwegs. Wir saßen auf einer neuen Kanzel am Rand einer Naturverjüngung und vor uns erstreckte sich ein 200m langes Farndickicht, hinter dem die Heide losging. Wir saßen 15min als auf 600m vor uns plötzlich ein schwarzer Klumpen mitten in der Heide stand. Es war ein guter Hirsch, der einen geringen Spießer im Schlepptau hatte. Der Hirsch zog weiter und nach kurzer Zeit kam ein starker Hirsch auf dem gleichen Wechsel. Auch dieser Hirsch verschwand nach wenigen Minuten hinter einer Kuppe und es dauerte nicht lange, als ein dritter sehr starker Hirsch auftauchte. Plötzlich merkte ich wie Leon das Jagdfieber packte. Er flüsterte: “That´s the best stag I´ve ever seen“. Mehr gab es nicht zu sagen. Wir nickten uns nur einmal zu und sprangen förmlich von der Kanzel. Im Laufschritt ging es durch die Naturverjüngung. Als wir an der Heidefläche ankamen, war die Bühne leer. Leon vermutete, dass auch der Hirsch über die Kuppe gezogen war und wir pirschten immer weiter den Hügel hoch. Oben angekommen erstreckte sich eine lange ca. 300m breite Senke vor uns. Wir sahen nichts, also wollten wir die Senke durchqueren in der Hoffnung, hinter der nächsten Kuppe einen der Hirsche wieder anzutreffen. Wir waren gerade unten, als Leon sich plötzlich flach auf den Boden warf. Auf 180m stand ein guter Hirsch im Hang, der gerade drauf und dran war, abzuspringen. Leon machte einen schrillen Pfeifton und plötzlich drehte der Hirsch bei und rannte quer zum Hang auf uns zu. Immer wieder musste ich die Heide zur Seite drücken, um freies Schussfeld zu haben. Auf 80m verhoffte der Hirsch und der Schuss brach. Der Hirsch fiel im Feuer. Was für eine Pirsch. Es kam zwar nicht der kapitale Hirsch, aber dennoch ein starker Eightpointer zur Strecke.
Super glücklich traten wir die Heimreise an. Im Gepäck hatten wir beide je eine Ziege und 2 Hirsche.
Nachdem ich in Hannover die Schrotpatrone von der Bundespolizei abgeholt hatte, war die Jagd vorbei und mir war sofort klar, dass es nicht mein letzter Besuch in Schottland war…
Tobias E. Info Sikajagd in Schottland